spiritueller Lehrer

Den richtigen Lehrer finden – Der buddhistische Weg Teil 1

Wir haben uns die buddhistische Lehre als Computerspiel vorgestellt und versucht zu erfassen, was das Nirvana eigentlich ist. Jetzt geht es zurück in die alltägliche Praxis.

Wie fängt man denn nun auf dem buddhistischen Weg an – so ganz praktisch und nicht nur für Anfänger.

 

Der richtige Lehrer
Keine Angst vor Fehlern !

Als allererstes möchte ich zunächst einmal wissen: Kann ich einem Lehrer überhaupt vertrauen? Schwierige Frage!

Ich habe ja so meine Erfahrungen mit Lehrern gemacht. Manche waren gut, manche waren zwiespältig,  immer habe ich viel gelernt. Das war manchmal ziemlich schmerzhaft, trotzdem wäre ich ohne das alles nicht da, wo ich heute bin.

Deshalb ist mein persönlicher Rat: Halte die Augen auf, höre auf dein Bauchgefühl und gehe ohne Zögern, wenn dir etwas nicht richtig vorkommt.

 

Die Checkliste des Buddha

Zur Zeit des Buddha zogen unzählige Lehrer mit den unterschiedlichsten Lehren durch die Lande und verkündeten, was sie für die Wahrheit hielten.  Also genau wie heute eigentlich.

Deswegen gab er eine „Checkliste“ heraus, mit der die Leute überprüfen konnten, ob ein Lehrer vertrauenswürdig war. Diese Checkliste hat es in sich.  Da zu Buddhas Zeit  geistige Lehrer in der Regel Asketen waren,  benutzte er den Ausdruck „Mönch“. Mönche lebten immer von Almosen:

„Wenn da in der Nähe eines Dorfs oder einer Stadt ein Mönch weilt und seinen Unterhalt erhält, dann geht ein Hausvater oder Sohn eines Hausvaters zu ihm und erforscht ihn nach drei Eigenschaften:

nach Eigenschaften, die mit Begehrlichkeit, Abneigung, Blendung zu tun haben.

‚Finden sich bei diesem Ehrwürdigen etwas solche Eigenschaften der Begehrlichkeit, Abneigung, Blendung,

dass er, im Herzen von ihnen beherrscht, wenn er nichts weiß, dennoch behaupten könnte, er wisse etwas,

und wenn er nichts sieht, er sehe etwas,

oder dass er andere so anleiten könnte, dass sie dadurch für lange Zeit in Unheil und Leiden geraten könnten?

Nun merkt er bei dieser Erforschung: ‚Bei diesem Ehrwürdigen finden sich keine solchen Eigenschaften, sondern das Betragen und die Sprache dieses Ehrwürdigen ist wie bei einem von Begehrlichkeit, Abneigung, Blendung Freien.

Was aber dieser Ehrwürdige als Wahrheit aufzeigt, das ist eine tiefe Lehre, nicht leicht zu verstehen, nicht leicht zu erkennen, still, erhaben, dem bloßen Denken allein nicht zugänglich, von feinster Genauigkeit, nur vom Weisen erfahrbar; eine solche Lehre kann nicht gut von einem begehrlich Gerissenen dargelegt werden‘.

Canki-Sutta M 95. Die vollständige Lehrrede kannst du hier nachlesen.

 

1. Punkt der Checkliste: Begehrlichkeit

Diese Überprüfung ist leicht anzuwenden Wenn du dir überlegst, jemanden als Lehrer zu nehmen, beobachte ihn:

Ist er/sie hinter irgendetwas hinterher? Das können Anerkennung und Ruhm sein, oft ist es aber auch ganz banal Sexualität oder Machtstreben. Es gibt genug Beispiele dieser Lehrer.

Wirkt der Lehrer eitel? Das könnte ihn dazu verleiten zu behaupten, er wisse etwas genau, obwohl er es nicht wirklich weiß.

Egal wie berühmt der Lehrer/die Lehrerin sind und wie toll andere sie finden – hast du das Gefühl, einen Rockstar mit seinen Groupies vor dir zu haben? Redet der Lehrer überhaupt noch von einer Lehre oder verbreitet er Wohlfühl-Allgemeinplätze und gute Laune? Es kann sehr unterhaltsam sein, so jemandem zuzuhören – auf deinem geistigen Weg kommst du damit nicht weiter.

Bei Bhagwan wäre diese Prüfung schnell erledigt gewesen: Seine Vorträge hatten keine wirkliche Kernaussage, er sammelte Rolls Royces, Groupies gab es genug. Fazit: für einen geistigen Weg nicht vertrauenswürdig.

 

2. Punkt der Checkliste: Abneigung

Genauso wichtig ist: Wogegen pflegt der Lehrer/die Lehrerin eine Abneigung?

Ich kenne einen Zenmeister und Kontemplationslehrer, den ich sehr schätze. Er war Mönch und die Glaubenskongregation der katholischen Kirche ordnete an, er müsse den Orden verlassen oder aufhören, Kontemplation zu lehren. Seine christliche Lehre stimme nicht mit der der Kirche überein. Nach mehrmonatiger Bedenkzeit entschloss er sich, die Orden zu verlassen. Ich kann verstehen, dass es für ihn nach 40 oder mehr Jahren im Orden sehr schlimm war, „rausgeworfen“ zu werden. Aber ich möchte nicht in jedem Vortrag etwas gegen die Kirche hören. Diese Pflege der Abneigung war mir zuviel und deshalb bin ich nicht mehr zu ihm hingegangen.

Auch Lehrer, die andere Lehren herabsetzen und womöglich parallel dazu ihre eigene Lehre in den Himmel heben, würde ich mit Vorsicht genießen. Warum haben sie das nötig? Haben sie nicht genug Argumente für ihre eigene Lehre?

 

3. Punkt der Checkliste: Blendung

Für uns alle gilt: wenn wir nach etwas gieren oder etwas ablehnen, trübt sich der Blick für die Wahrheit. Dann können wir uns nicht mehr darauf verlassen, dass wir die Wahrheit klar sehen können. Auch der Lehrer ist dann von seinen eigenen Wünschen und Abneigungen geblendet.

 

Und wie soll man den Buddha selbst überprüfen?

Natürlich kann niemand von uns das nun bei dem Buddha leibhaftig überprüfen. Es gibt aber sehr, sehr viele Berichte aus seinem Leben. Nirgends findet sich etwas, wo er das Habenwollen oder Nicht-Habenwollen pflegt. Deshalb gehe ich zunächst davon aus, dass der Buddha diese Kriterien erfüllt. Sollte ich aber auf Berichte stoßen, in denen es anders aussieht, kann ich meine Meinung ändern.

 

Braucht man überhaupt einen Lehrer?

Dazu gibt es eine klare Aussage des Buddha:

„Nehmt keinen Meister…Was ich euch als Lehre und Ordnung aufgewiesen und angegeben habe, das ist nach meinem Verscheiden euer Meister“ (D16, VI)

 

Bin ich dein Lehrer?

Sollte deine Antwort „Ja“ sein, dann überlege es dir lieber noch einmal. Falls du wissen möchtest, ob ich von Begehrlichkeit, Abneigung oder Blendung frei bin: Ich bin es nicht.

Ich versuche so genau wie möglich die Original-Lehre des Buddha zu erklären und schreibe über meinen eigenen Weg, Irrtümer eingeschlossen. Aber auch ich sehe sie durch meine Vorlieben und Abneigungen verzerrt, ohne es selbst wahrzunehmen.

Umso wichtiger ist es, dass du selbst das, was ich sage, anhand der Originallehre noch einmal überprüfst. Auf der Seite www.palikanon.de kannst du alle Lehrreden nachlesen, zum Teil von anderen übersetzt.

 

Weggefährte

Ich empfinde mich als eure Weggefährtin. Vielleicht bin ich auf dem Weg schon ein bisschen weiter gegangen als du, vielleicht bist du aber auch schon weiter vorausgewandert. Ich selbst spreche regelmäßig mit Freunden, die schon länger diesen Weg erkundet haben als ich. Oft können Sie mich vor einem unnötigen Umweg warnen oder vor einer Sackgasse. Oder sie sagen: Geh‘ da lang, dort hast du einen wunderbaren Ausblick. So bin ich durch  Rat schon mehrfach zu wunderbaren Erkenntnissen gelangt.

 

 Erstes Vertrauen zum Lehrer

„Hat er ihn bei dieser Erforschung geläutert von Eigenschaften der Blendung befunden, dann zieht Vertrauen bei ihm ein. Aus Vertrauen kommt er aufmerksam zu ihm heran.“

Das ist erst einmal anfängliches Vertrauen, das im Laufe der Zeit bestätigt wird oder auch nicht. Es reicht aber, um diesem Lehrer zuzuhören. Später in dem Vortrag sagt der Buddha noch, dass immer wieder neu Vertrauen gefasst werden muss, um den nächsten Schritt zu gehen.

 

Welche Erfahrungen hast du mit Lehrern gemacht? Teile uns deine Erfahrungen in den Kommentaren mit und wenn dir der Artikel gefallen hat, teile ihn.

 

M95 Canki-Sutta, in der Übersetzung von Fritz Schäfer aus „Der Buddha sprach nicht nur für Mönche und Nonnen“.

Bild: Stockfoto-ID: 36445036 Copyright: kadmy

13 Gedanken zu „Den richtigen Lehrer finden – Der buddhistische Weg Teil 1

  1. Wunderbar, anumodana!

    Bleibt noch zu überlegen, wer oder was ein Lehrer ist. Frei zitiert sagte der erhabene Buddha vor seinem Abscheiden, dass jetzt der Dhamma der Lehrer sein soll.

  2. Danke, Chantasaro!
    Für mich ist eindeutig der Dhamma der Lehrer. Das kam vielleicht in dem Absatz „Braucht man überhaupt einen Lehrer“ nicht so klar zum Ausdruck.
    Der Dhamma ist für mich der Goldstandard.

    Herzliche Grüße nach Thailand!
    Christiane

  3. Hallo Christiane,

    ich habe einen ehemaligen buddhistischen Mönch mit dem ich mich regelmäßig austausche. Ich finde es wichtig, dass man jemanden hat, der schon „weiter“ ist als man selbst. So wie Du schreibst, Irrwege und Sackgassen sind ohne dem Ausstausch mit jemanden Erfahreren eher möglich.

    Ich lese einiges an buddhistischen Büchern und so manches erscheint mir zweifelhaft, manches verstehe ich wohl nicht richtig. Ich finde es wichtig, dann jemanden bei der Hand zu haben, mit dem man darüber sprechen kann.

    Auch bei alltäglichen Erlebnissen, die ich nicht so richtig einordnen kann, erfahre ich Unterstützung. Neue Sichtweisen, das Erklären von Zusammenhängen, sind neben anderen Dingen einfach toll.

    Ich denke ich wäre auf meinen Weg noch nicht „so weit“, hätte ich diese Möglichkeit nicht.

    Liebe Grüße.

  4. Hallo Flex,
    danke für deinen sehr wichtigen Beitrag. Es ist ja wirklich das Allerwichtigste, auf dem Weg gute Freunde zu haben, die einen unterstützen und einem weiterhelfen.
    Auch bei meinen fortgeschrittenen buddhistischen Freunden achte ich darauf, ob es wirklich zur Lehre passt, was sie sagen. Denn solange wir uns nicht vollkommen von Begehrlichkeiten, Abneigungen und Verblendungen frei machen konnten, besteht ja immer die Gefahr, unabsichtlich etwas zu verzerren.

    Deshalb bleiben die Originallehren für mich der Goldstandard.Und etliche Sachen verstehe ich auch noch nicht. Dann gehe ich davon aus: „Noch nicht Erkanntes werde ich erkennen“.

    Herzliche Grüße,
    Christiane

  5. Dhamma als Goldstandart!

    Klingt gut, sehr gut sogar. Dhamma als Begriff ist ja erstmal nur eine leere Worthülse. Wenn wir uns dann nach und nach damit befassen, wie diese Worthülse aufgefüllt ist, dann dehnt sich dieses Wort in alle Richtungen. Wir laufen ja auch immer wieder Gefahr, unsere Spekulationen, Interpretationen, Missverständnisse und dergleichen in dieses Wort zu packen.

    Ein Lehrer kann auch Dhamma sein, ein vollkommen Erleuchteter ist Dhamma in allen Aspekten. Dann gibt es aber auch Lehrer, die glauben, sie seinen Dhamma.

    Spirituelle Freunde (Kalayāna-Mitta) sind eine sehr wichtige Stütze auf unserem Weg, sich aber alleine auf sie zu verlassen finde ich nicht klug. Gerade wir Westler, die eine hohe, weltliche Bildung besitzen, sehr rational denken und handeln und mit einem überkritischen Geist ausgestattet sind, sollten uns überlegen, wie wir den Weg beschreiten. Die totale Unterwerfung einem Lehrer gegenüber ist sehr heilsam.

    Leider hat es im deutschsprachigen Europa nur sehr wenige buddhistische Klöster des Theravāda, wo deutschsprachige Mönche oder Nonne praktizieren und lehren. Dadurch helfen sich Laien (notgedrungen) selbst und all die Aspekte der Weltabgewandheit, gehen verloren.

    Christiane hat sich in diesem Blog bereits mit dem Ziel auseinander gesetzt. Für mich persönlich war klar, dass es ein Endziel, mit vier Zwischenzielen gibt. Das Endziel ist Nibbāna, die vollkommene Erwachung. Viel wichtiger ist aber das Ziel, das einem am nächsten ist. Wer sich dieser wunderbaren Lehre neu zuwendet, muss zuerst Mal aus dem Sumpf, auf sicheren Untergrund gehen. Sehr viele Menschen stecken im Sumpf fest und stellen die Frage: „Wie bin ich hier reingeraten?“

    Würden wir genau diese Frage auch stellen, wenn wir in einem echten Sumpf drinstecken und mit jeder Minute sinken wir tiefer ein? Oder würden wir jemanden bitten, uns aus diesem Sumpf zu helfen, um auf sicheren Untergrund zu kommen?

    Wenn wir auf dem sicheren Untergrund sind, dann können wir das nächste Ziel ins Auge fassen, das ist das Minimalziel. Der sichere Untergrund mag uns zwar sicher vorkommen, ja sogar dazu verleiten, alle Vorsätze zu vergessen, im nächsten Leben finden wir uns im Sumpf wieder. Minimalziel ist der Eintritt in den Strom (Sotāpatti). Erst hier haben wir die Gewissheit, früher oder später Nibbāna zu verwirklichen. Im Englischen würde man dazu point of no return sagen. Vom Stromeintritt an gibt es keinen Rückfall mehr, in spätestens sieben Leben ist die vollkommene Erwachung realisiert.

    Möget ihr das Euch am nächsten liegende Ziel rasch erreichen!

  6. Ehrwürdiger Chantasaro,
    herzlichen Dank für diesen umfassenden Überblick über den Weg zum Ziel.

    Für die, die sich jetzt vielleicht entmutigt fühlen, weil der Stromeintritt so fern scheint, würde ich gern noch etwas ergänzen: Bereits wenn man sich als Hörer (anusari) ernsthaft auf den Weg macht, kann man nach der Aussage des Erwachten nicht sterben, ohne in den Strom zum Erwachen einzutreten.

    Also: Macht euch auf den Weg!

  7. Entmutigen?

    Das bedeutet, dass all jene, die den Weg gehen, mutig sind.

    Auf die eine Seite kann ich dem zustimmen, sich seinen eigenen Ansichten, Meinungen und Illusionen zu stellen, benötigt Mut. Wer will schon enttäuscht werden?

    Dabei ist eine Enttäuschung immer das Ende einer Täuschung. Und wenn wir es genau anschauen, dann täuschen uns nicht andere, sondern wir täuschen uns selbst. Aus diesem Blickwinkel sind alle die, die sich nicht auf den Weg machen mutig, weil sie in ihren Täuschungen leben.

    Ob der Weg lang oder kurz ist, wissen wir ja nicht. Vielleicht sind es ja nur fünf Meter. Da wäre es wirklich schade, an Ort zu bleiben und zu warten, bis der Mut zu uns kommt. Der jüngste, mir bekannte, vollkommen Erwachte war gerade mal sieben Jahre alt. So lang und holprig und steinig kann der Weg also nicht sein :))

  8. Ehrwürdiger Chantasaro,
    herrlich! Du ebnest mit Worten den Weg, der manchen wie eine Himalaya-Besteigung vorkommt. :-)

  9. Einen direkten Kommentar habe ich nicht aber eine wichtige Frage: gibt es im Buddhismus Meister? Ein Bekannter von mir hat Kontakt zu einem „Buddhisten“
    gefunden und ihm ein persönliches Anliegen geschildert. Der Buddhist antwortete ihm,
    dazu müsse er seinen MEISTER fragen.

  10. Hallo Ryck,

    danke für deinen Kommentar. Es gibt verschiedene buddhistischen Schulen, in denen es „Meister“ gibt, zum Beispiel Zenmeister.

    Wenn du möchtest, kannst du hier deine Frage wiederholen oder mir eine mail über die Seite „Kontakt“ schreiben.

    Liebe Grüße,
    Christiane

  11. Ich habe noch keinen buddhistischen Lehrer gefunden, der mich überzeugt. Die „andere Geistqualität“ muss ausgestrahlt werden. Selbst der Dalai Lama ist viel zu unruhig und ruht nicht in sich selber.
    Ihre Definition des achtfachen Pfades ist teilweise gut. Das Konzentrationsobjekt für die rechte Achtsamkeit muss eine Herzenskraft sein, deren Intelligenz den Geist unter Kontrolle und zur Wandlung bringt.

  12. Lieber Stephen,
    Der Buddha hatte zum Thema Lehrer eine sehr klare Meinung. Als er starb, wurde er von seinen Mönchen gefragt, wer denn nun ihr Lehrer sein würde. Sie wollten vielleicht hören, dass ein Nachfolger ernannt wird.

    Der Buddha antwortete darauf: „Nehmt keinen anderen Lehrer, nehmt die Lehre als Lehrer.“

    Ich würde auch noch zu bedenken geben, dass es reicht, wenn der Lehrer auch nur einen Schritt voraus ist – schon dann ist er ein „Edler Freund“, der weiterhelfen kann.

    Liebe Grüße, Christiane

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