Das Nadelöhr auf dem Weg zum Erwachen

Es gibt ein Nadelöhr auf dem Weg zum Erwachen und erst, wenn du durch dieses Nadelöhr hindurchgegangen bist, ist der Weg zum Erwachen unwiderruflich betreten.

Das Nadelöhr ist die Annahme, es gäbe ein Ich, das erlebt, denkt, entscheidet und handelt. Diese Annahme ist das entscheidende Hindernis auf dem Weg zum Erwachen. Solange wir denken und empfinden, es gäbe ein Ich, geht es auf dem Weg zum Erwachen nicht weiter.

Die Ich-Annahme wird im Buddhismus „Persönlichkeitsansicht“ genannt, es ist die erste der zehn Fesseln, die auf dem Weg zum Erwachen gelöst werden.

 

Der Stromeintritt oder das Wegfallen der Ich-Annahme

Wenn diese Ich-Annahme wegfällt, ist das Nadelöhr auf dem Weg zum Erwachen geschafft. Der Buddha bezeichnet diesen Schritt als „Stromeintritt“, der Strom zum Erwachen wurde unwiderruflich betreten und man kann ihn nicht mehr verlassen. Nach der ursprünglichen buddhistischen Lehre wird man in spätestens 7 Leben vollständig erwachen und das Herumirren im Daseinskreislauf zu Ende sein.

Unabhängig, ob du an diese Vorstellung von Restleben glaubst, zeigt sie auf jeden Fall die Bedeutung, die das Durchschauen der Ich-Illusion hat.

 

Was steht dem Durchschauen der Ich-Annahme im Weg?

Warum ist es so schwer, den Frieden und die Freiheit zu finden, die schon immer da waren?

Wir erleben nicht einfach, was ist, sondern blitzschnell, innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde, werden Interpretationen hinzugefügt. Das beginnt mit dem Namen, er enthält oft bereits eine Bewertung, auf die dann weitere Annahmen, Erinnerungen und Vorstellungen folgen.

Es ist z.B. ein Ziehen in der Magengrube zu spüren. Ein Name kommt hinzu – „Angst“. Sofort tauchen weitere Gedanken daran auf, was passieren könnte, Erinnerungen an das, was schon einmal geschehen ist, die Körperempfindungen werden stärker, und die eigentlich harmlose Körperempfindung führt zu einer Lawine von ängstlichen Gedanken und Gefühlen.

Und das geschieht ununterbrochen. Kein Wunder, dass wir uns nicht friedvoll fühlen.

 

Was sind Annahmen und was wird tatsächlich erlebt?

Ich bin mir sicher, dass du den Unterschied zwischen Gedanken und Wirklichkeit kennst. Was nicht zu sehen oder zu hören ist, was nicht berührt, gerochen oder geschmeckt werden kann, existiert nur in der Fantasie. Alles, wofür es keinen Beweis in der Wirklichkeit gibt, besteht nur als gedankliche Vorstellung. Es ist genauso wie vor Gericht. Nur Beweise gelten, alles andere sind nicht belegte Annahmen.

Wenn du jetzt an das letzte Weihnachtsfest denkst, erlebst du dieses Weihnachtsfest oder denkst du daran?

Wie du wahrscheinlich merkst, kann es schwierig sein, diese Frage zu beantworten, weil die Gedanken oft von Gefühlen begleitet werden, genauso wie sinnliche Erlebnisse. Diese Gefühle lassen die Gedanken so viel realer erscheinen. Trotzdem bleiben es geistige Bilder.

 

So kommst du durch das Nadelöhr auf dem Weg zum Erwachen

Am besten übst du erst einmal mit einfachen Sinnesempfindungen, die Annahmen von der eigentlichen Erfahrung zu trennen. Ich habe dafür einen kostenlosen Kurs entwickelt, den du dir hier herunterladen kannst.

Wenn das gut klappt, untersuche, was du als Ich empfindest. Kann es gesehen oder gehört werden? Kannst du es berühren? Hat es einen Geruch oder Geschmack?

Woraus besteht dieses Ich und wo ist es? Wie denkt und entscheidet es?

Wie bewegt das Ich den Körper, lässt bestimmte Gefühle auftauchen und verschwinden, wie kontrolliert es, was gerade geschieht?

Ist das Ich zu finden?

Ich bin gespannt auf deine Antwort. Lass mich im Kommentar wissen, was du gefunden hast.

 

Kennst du jemanden, der auch gern erwachen möchte? Dann teile diesen Artikel mit ihnen.

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Bild: Courtesy Pixabay

3 Gedanken zu „Das Nadelöhr auf dem Weg zum Erwachen

  1. Hallo Christiane,

    was ist mit dem Gefühl des Lebendigsseins, der tiefen Freude, des Einsseins?

    Klar sind das auch nur Begriffe für etwas, aber es gibt dazu auch keine definierte Körperempfindung, die gesehen, gehört, berührt, gerochen oder geschmeckt werden kann. Alles nur Hirngespinste und Einbildung?

    Danke und viele Grüße

  2. Lieber Devi,

    ja, das ist unser tiefster Wunsch, dass wir uns immer gut fühlen – uns lebendig fühlen, eine tiefe Freude zu empfinden, uns eins zu fühlen. Es gibt nichts, was von Dauer ist und Nibbana heißt wörtlich „erlöschen“. Ein Feuer, das erlischt.

    Wenn Nibbana realisiert wird, gibt es niemanden mehr, der sich eins mit etwas fühlen könnte. Das wären ja immer noch zwei. Alle jenseits der Fesseln erleben vorrangig einen tiefen Frieden, Stille und das Ende allen Leidens und aller Unzufriedenheit. Und das fühlt sich wahrlich nicht schlecht an, aber es hat nichts mit Freuden zu tun wie wir sie kennen, wenn z.B. ein Wunsch in Erfüllung gibt.

    Viele hoffen auf ewige Glückseligkeit – es ist eine der drei Unmöglichkeiten neben Etwas-heit und Permanenz.

    Ich hatte auch darauf gehofft. :-) Und als die letzte Fessel durchschaut war und es war klar, das war’s, habe ich erst realisiert, wie außerordentlich normal es ist.

    Es ist einfach im Gesehenen das Gesehene, im Gehörten das Gehörte….

    Oder wie ein Zen-Patriarch es ausgedrückt hat:

    Frieden im Geist

    Wenn im Geist Frieden ist,
    ist auch in der Welt Frieden.
    Nichts ist wirklich, nichts fehlt.
    Nicht an der Wirklichkeit festhaltend,
    nicht in der Leere steckenbleibend,
    bist du weder heilig noch weise, nur
    ein einfacher Mensch, der seine Arbeit vollendet hat.

    P’ang Yün (龐蘊 Hõ Un) (The Enlightened Heart 34)

    Liebe Grüße,
    Christiane

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