Das Verlangen nach Form

Das Verlangen nach Form – die 6. Fessel

Durch das Verlangen nach Form wird die Vorstellung erschaffen, es gäbe eine Grenze zwischen uns und allem anderen, und auch zwischen allen Objekten bestünde eine feste Grenze. In diesem Zusammenhang ist alles ein Objekt, was unterschieden werden kann: ein Tisch, ein Geräusch, ein Gedanke, eine Körperempfindung.

Hier beginnt auf dem Weg zum Erwachen die Untersuchung der Wirklichkeit an sich. Sind die Dinge wirklich so wie wir meinen?

Im Zen heißt es, am Anfang des Weges sind die Berge Berge, und die Flüsse Flüsse. In der Mitte des Weges sind sie nicht mehr Berge und Flüsse. Und am Ende sind Berge wieder Berge und Flüsse wieder Flüsse. Du betrittst jetzt die Mitte des Weges.

Wie entsteht das Verlangen nach Form?

Nachdem nichts gefunden werden konnte, das dinghaft und von Dauer ist, und keine Möglichkeit uns immer wohlzufühlen, wurde einfach etwas ausgedacht: das erste Ich-Dünken, die 8.Fessel. Sie wurde mit der Annahme ausgestattet, dass das Erlebte ‚wahrgenommen‘ wird, also außerhalb von uns existiert. So entstand eine Welt außerhalb von uns in Zeit und Raum (7.Fessel).

Nun entstand der Wunsch nach Formen, mit der 7. Fessel war eine Welt ohne Grenzen zwischen Objekten erschienen.

Grenzen entstehen durch die Vorstellung eines Subjekts

Um Grenzen zwischen den Objekten erleben zu können, musste ein Subjekt erfunden werden, das von ihm getrennte Objekte sieht und hört. Allein die Tatsache, dass Objekte erlebt werden, wird als Beweis dafür genommen, dass es ein Subjekt geben muss.

Die Vorstellung eines Subjektes ist schon recht subtil, hier suchst du nicht nach der Ich-Illusion, sondern nach einer Instanz, die den erlebten Objekten ‚gegenüber steht‘.

Wann das Verlangen nach Form untersucht werden kann

Wenn Wunsch und Widerwillen vollkommen durchschaut sind, wird sich die 6. Fessel von selbst zeigen. Deine Grenzen werden sich anders anfühlen

Es kann sein, dass du dich wie in einer Nussschale eingeschlossen fühlst, oder dass deine Grenzen anfangen sich aufzulösen und zu verschwimmen.

Ich erinnere mich, wie ich auf dem Bürgersteig ging und plötzlich das Gefühl hatte, wie in einem Raumanzug eingeschlossen zu sein, ohne jede Kontaktmöglichkeit nach draußen, wie eine Außerirdische.

Dann wieder fühlten sich die Grenzen sehr hart an, mir kam das Bild mich in einer Nussschale zu befinden. Und zu meinem Erschrecken schien ich mich zwischendurch aufzulösen.

Ich befürchtete, ich könnte vielleicht nicht mehr funktionieren, wenn dieser Vorgang weitergehen würde. Dann fiel mir ein, dass ich das ja schon vor dem Wegfall der Ich-Illusion gedacht hatte, und dass nichts passiert war. Vermutlich war es jetzt wieder ein Fehlalarm.

Die Untersuchung der 6. Fessel

Versuche als Erstes herauszufinden, wie das Subjekt immer wieder bestätigt wird.

Sieh ein Objekt an, sagen wir eine Lampe im Raum. Du wirst vielleicht bemerken, dass die Aufmerksamkeit erst auf dem Objekt ruht und dann rasch, innerhalb von Sekunden, zurückgeht zu ‚dir‘, und dann wieder zum Objekt. Es ist wie ein kurzes Zurückblicken, das sich immer wieder wiederholt. Du merkst es an einer winzigen Bewegung der Augenmuskeln.

Es ist wie ein ‚Zurückmelden an die Zentrale‘.
Wo ist das Subjekt, das die Meldung vom Objekt empfängt?

Und was geschieht, wenn du versuchst das Zurückblicken zu verhindern und den Blick entspannt auf dem Objekt ruhen lässt?

Körper- und Raumgefühl verschwinden.

Wenn die 6. Fessel sich auflöst, verschwindet mit den Grenzen auch die Vorstellung eines Raumes, der optische Eindruck wirkt flach, wie ein Fernsehbildschirm.

Außerdem verschwindet von nun an allmählich oder auch plötzlich das Körpergefühl. Die Körperempfindungen sind zwar weiterhin vorhanden, aber das Bild eines Körpers wird nicht mehr auf die Körperempfindungen projiziert.

Ich wachte eines Morgens auf und meine Bauch war nicht mehr zu spüren. Es war merkwürdig und auch ein wenig lustig. „Die Frau ohne Unterleib“ von Heinrich Böll fiel mir ein.

Einige Tage später war das Körpergefühl ganz verschwunden, ich habe es wieder beim Aufwachen gemerkt. Und da begriff ich, was das geistige Körperbild mit den Körperempfindungen zu tun hat: Nichts.

Und deshalb hatte ich mich auch nie schlank gefühlt, ganz egal, wie niedrig die Zahl auf meiner Waage war, wenn ich mal wieder eine Diätphase hinter mir hatte. Das Körperbild wurde durch die Zahl auf der Waage überhaupt nicht verändert.

Passe in dieser Zeit besonders auf, wenn du Auto oder Fahrrad fährst und auch wenn du über die Straße gehst. Die Entfernungen sind nicht mehr so leicht zu schätzen. Ich habe unserem Auto ein paar Beulen hinzugefügt und einmal musste ich sogar den ADAC kommen lassen, weil ich auf die hohe Kante an einer Tanksäule aufgefahren war und meinen Radkasten zerlegt hatte.

Inzwischen ist wieder alles normal, ich merke keinen Unterschied zu früher, nur wenn ich dreidimensionales Mah Yong auf dem Computer spiele. Dann frage ich mich immer wieder, wieso sie die Steine so klein gemacht haben, bis ich mich erinnere, dass dadurch das Spiel dreidimensional aussehen soll. Auf mich wirkt es flach, es hat einfach verschieden große Steine.

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Bild von Free-Photos auf Pixabay

Ein Gedanke zu „Das Verlangen nach Form – die 6. Fessel

  1. Kann es sein, dass Gott Geist ist, was man auch als denken bezeichnet, und eben diese Erkenntnis das ist, was es zu erkennen gilt?… Eben, dass der Geist selbst Gott ist….eine transzendente Macht, die schon immer da war, nur dass man sich dessen nicht bewusst war?

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